Interview mit Michael Schätzel
Der langjährige Geschäftsführende Kirchenrat Pfarrer i.R. Michael Schätzel gehört zur St. Petri-Gemeinde Hannover und lebt mit seiner Frau Gudrun in einer Wohnung in Hannover-Kleefeld. Dort traf sich die Lutherische Kirche (LuKi) mit ihm Mitte Juli zum Gespräch.
LuKi: Lieber Michael, vielen Dank, dass wir das Interview führen können. Du bist jetzt seit einem halben Jahr im Ruhestand. Wie ist dein Leben im Ruhestand?
Michael Schätzel: Mein Leben ist gut. Der „Erledigungsdruck“ war gleich in den ersten Tage weg, und ich konnte mich zunehmend anderen Dingen widmen. Beispielsweise viel mehr lesen und mehr Zeit für die Enkelkinder haben. Ich übernehme weiter Vertretungsgottesdienste, habe mehr Zeit mit meiner Frau auch mal ins Kabarett oder essen zu gehen. Ich bin jetzt – nach fast einem halben Jahr – so weit, dass ich wirklich sage, ich bin echt angekommen im Ruhestand.
LuKi: Du hast schon erwähnt: Vertretungsdienste machst du trotzdem noch. Wie viel bist du immer noch für die Kirche unterwegs?
Michael Schätzel: Naja, das muss sich jetzt alles einspielen. Am Anfang ist man in der Position immer noch auch ein guter Kandidat für Kirchenmusikfeste, Gemeindejubiläen oder so. Oft auch so, dass man merkt, da sind schon etliche gefragt worden, jetzt wird die Zeit eng, vielleicht kann der Schätzel noch im Ruhestand; und das mache ich in der Regel auch. Ansonsten sind das auch ganz normale Vertretungsdienste. Wir haben in Niedersachsen-Süd – wie in allen Kirchenbezirken – damit reichlich zu tun, und dann fahre ich eben nach Alfeld oder nach Arpke und bin jetzt in Groß Oesingen nächstes Wochenende und bin ein ganz normaler Pastor. Ich nenne das immer mein Ehrenamt. Unser Bischof hört das nicht so gerne, aber ich habe das auch im Dienst immer gesagt, das sind Sachen „on top“, die muss ich nicht machen, die mache ich halt und gerne. Ich hänge das Amt nicht hoch, aber natürlich sind wir Ordinierten dazu da, das Evangelium zu verkündigen und die Sakramente zu verwalten. Das tue ich. Nicht jeden Sonntag, das würde mir auch zu viel – Ich bin ja erkrankt an einer Krebserkrankung, die aber mein Onkologe im Moment sehr gut im Griff hat, aber so, dass ich dann auch merke, wenn ich jeden Sonntag zwei Gottesdienste halten würde, das würde mir zu viel werden. Zumal ich in aller Regel auch die Predigten wirklich neu schreibe.
LuKi: Das heißt, nachdem der Bischof zu deiner Verabschiedung auf „reichlich vorhandene Ämter und Aufgaben für Ruheständler“ hingewiesen hat, hast du ihn beim Wort genommen und bist fleißig am Weiterarbeiten.Michael Schätzel: Naja, ich kann mir das jetzt aussuchen. Ich bin jetzt hier in der Arbeitsgruppe zur Vorbereitung unserer Präsenz auf dem Deutschen Evangelischen Kirchentag gefragt worden und habe da gesagt, ich kann mir das vorstellen, aber ich gucke mal, ob das was ist vom Umfang her, was ich zusagen kann. Ansonsten muss ich schon schauen, was passt – es gibt so viele Gelegenheiten in unserer Kirche, wo Mitarbeit gefragt ist, und da halte ich mich wirklich sehr zurück. Also Pastoralkolleg mache ich mit Pino Barnbrock (Prof. Dr. Christoph Barnbrock; Anm. d. Red.) weiter, das ist mir auch ein Anliegen. Und ich versuche jetzt, mehr in der Gemeinde zu machen, arbeite da jetzt zum Beispiel bei unserem Instagram-Auftritt und im Bewirtungsteam mit. Ich habe zum ersten Mal unser jährliches Kindersingerlebniswochenende mitgeleitet – im zarten Alter von 63 – und das war eine wahre Freude. Ehrenamt in der Gemeinde, das ist mindestens genauso wichtig, wie in der Kirche rumzuturnen, das muss ich ehrlich sagen.
LuKi: Du kannst schon jetzt auf eine lange Zeit im Dienst der Kirche zurückblicken. Dabei hast du auch immer wieder viel Humoristisches in die Kirche eingetragen, wie etwa die Kleefelder Notizen in der LuKi. Wie war denn das in deiner Zeit als Geschäftsführender Kirchenrat – ist immer so viel Spannendes, Lustiges, Ereignisreiches, Besonderes passiert, dass du was zu schreiben hattest? Oder musstest du die Rubrik einstellen, weil irgendwann nichts mehr passiert ist?
Michael Schätzel: Die Kleefelder Notizen habe ich nicht eingestellt, weil nichts mehr passiert ist, sondern weil es tatsächlich Leute gab, die damit nicht gut klarkamen. Beispielsweise erinnere ich mich an eine Frau, die mich zur Seite nahm und sagte: „Sie schreiben immer so gut über Kleefeld, aber die eigentliche Kirche ist doch in Berlin-Mitte und ich muss immer weinen, wenn ich das lese.“ Eine andere Frau konnte den Humor nicht verstehen. Und dann habe ich mir über ein halbes Jahr überlegt, wer liest eigentlich LuKi und wer kann diesen Humor, den ich da verbreite, verstehen. Ich habe da auch viel gute Rückmeldung bekommen, aber habe dann gedacht, jetzt ist mal gut, jetzt sollen es mal andere machen. Dazu muss ich sagen, ich bin von Natur aus ein humorvoller Mensch und versuche auch in den Predigten hier und da ein bisschen unkonventionelle Dinge zu sagen, weil es die Aufmerksamkeit fördert und weil es eine Qualität des Miteinanders bringt, wo man nicht immer einfach alles bierernst bespricht, sondern auch mal lachen kann. Und ich finde, Christen müssen auch mal lachen.
LuKi: Selbst deine Festschrift zu 25 Jahren Dienst als Geschäftsführender Kirchenrat trägt den Titel „Lutherisch ist, wenn man trotzdem lacht“, also auch da wird der Humor – durchaus mit Tiefgang – betont. Bestimmt gab es aber auch Situationen, in denen es schwerfiel zu lachen.
Michael Schätzel: Ja, es gab natürlich auch Situationen, in denen mir nicht zu lachen zumute war: kritische Aufgaben, belastende Kontakte. Wir Christen sind ja so gestrickt, dass wir dann auch gut wieder vergessen können, aber es gab schon auch im zwischenmenschlichen Bereich in der Kirchenleitung angespannte Zeiten, in denen bei wenig Zeit viel entschieden werden musste und es nicht immer so einfach war, gemeinsam tragfähige Lösungen zu finden. Das ist da wie in jedem anderen Gremium auch, das passiert einfach. Und es ist noch mal anders als in der Gemeinde: Ich habe ja auch als Kirchenrat nach wie vor gemeindliche Kontakte gehabt, durchaus auch seelsorgliche, aber die Fülle der – auch belastenden – pastoralen Kernaufgaben habe ich eben nicht gehabt, also die wirklich schweren Situationen, Todesfälle, andere leidvolle Geschichten oder so, wo ich jetzt unmittelbar beteiligt gewesen wäre, da war ich dann in meinem Beruf nicht mehr in der ersten Reihe.
LuKi: Weil du gar nicht so lange als Pastor im Gemeindedienst gewesen bist?
Michael Schätzel: Wenn wir die Zeit auch berücksichtigen: Ich war fünf Jahre in der Gemeinde, da hat mir der liebe Gott alles zugemutet: Einen schweren Autounfall, wo Großvater und Kind ums Leben gekommen sind; Fehlgeburten; Ehen, die auseinander gegangen sind. Also da habe ich schon tief ins Leid reingeblickt. Aber in der Verwaltungsarbeit, wenn ich das mal so nenne, keine Katastrophen, bei denen ich gedacht hätte, das hätte nie passieren dürfen. Wir machen alle Fehler, aber wir haben im Kirchenbüro eine gute Kultur gehabt, wo immer klar war: Wichtig ist, Fehler zuzugeben und nicht zu verbergen. Letzteres ist nicht das Problem, sondern wenn Fehler entstehen, ehrlich miteinander zu sagen „Okay, wir sind Team genug, zu gucken, wie kriegen wir das hin?“
LuKi: Gibt es besondere Erlebnisse, an die du dich gerne zurückerinnerst?
Michael Schätzel: Ja, natürlich. Es gibt so Ereignisse, wenn ich zum Beispiel an dieses 25. Dienstjubiläum denke, mit denen ich überhaupt nicht gerechnet habe. Oder teilweise auch Synodalgottesdienste, wenn die Synode vorbei war, man all seine Aufgaben gut gemacht hatte und dann im Gottesdienst alles von einem abfällt und man das Evangelium hört: „Es geht weiter mit der Kirche, egal was war“. Aber ganz markant ist für mich mein Beginn als Geschäftsführender Kirchenrat: Als ich berufen wurde, war ich 31 Jahre alt, mit 32 bin ich nach Hannover gekommen. Dieses Willkommen in der Kirchenleitung – auch in der Erweiterten mit den Superintendenten – habe ich im Nachhinein noch viel mehr schätzen gelernt als ehedem. Es hat da keiner gegen den jungen Pastor irgendwie intrigiert oder so. Das war mit 32 eigentlich ein Skandal, also für Altlutheraner war das eigentlich ein Skandal. Das geht gar nicht, dass jemand so Junges Geschäftsführender Kirchenrat wird. Du musst mindestens 50 sein, besser noch 60, und das hat auch Sprüche – natürlich nicht zu mir direkt – gegeben, so ein junger Pastor dürfe nicht Kirchenrat im Hauptamt werden. Aber ich habe so viel Rückendeckung und Loyalität erlebt. Einer von denen, die da besonders stark waren, der ist gerade jetzt dieser Tage gestorben, das war Klaus Ketelhut. Dem habe ich so unendlich viel zu verdanken. Einfach durch die Präsenz, einfach durch dieses „Bruder Schätzel, wir beten für Sie“, einfach durch die Loyalität, wenn ich auch mal mich im Ton vergriffen hatte oder irgendwas. Für dieses Gefühl, überhaupt kein Fremdkörper zu sein, war ich sehr dankbar. Und für die weitgehend vertrauensvolle Zusammenarbeit in wechselnden Zusammensetzungen über die Jahre hin bin ich auch ausgesprochen dankbar. Ich habe da sehr viel Unterstützung, Freundlichkeit und Loyalität erfahren, weit über das normale Maß hinaus.
LuKi: Du wurdest als Geschäftsführender Kirchenrat ja mehrmals bestätigt, aber mit dem Älterwerden kam ja doch die Aussicht, irgendwann Abschied nehmen zu müssen. Wie war dieser Prozess für dich?Michael Schätzel: Das hatte übrigens mit meiner Krankheit gar nichts zu tun, sondern stand schon vor der Diagnose fest. Wir haben ja alle vier Jahre Veränderungen in der Kirchenleitung – einfach durch auslaufende Amtszeiten, die eigentlich immer ein bisschen versetzt sind. Und mit jeder Veränderung verändern sich auch das Klima, die Ansprüche und die Selbstverständnisse der Kirchenleitung. Ich habe bis zum letzten Tag sehr, sehr gerne als Kirchenrat gearbeitet und habe es immer als Privileg betrachtet, meiner Kirche an dieser Stelle dienen zu dürfen. Aber irgendwann habe ich gemerkt, dass es gut ist, den Bogen nicht zu überspannen, also Platz zu machen für Entwicklungen, die besser in anderen Händen liegen, besonders im digitalen Bereich. Da ist ja auch die legendäre Geschichte, als ich zu Bischof Schöne ins Arbeitszimmer kam und sagte: „Bruder Schöne, ich kann mit Computern gar nicht umgehen, ich habe nicht einmal einen.“ Und dann sagte er: „Ach, Bruder Schätzel, Computer werden völlig überbewertet. Das brauchen Sie in dieser Arbeit gar nicht.“ Und dann nahm das alles so seinen Lauf und hat mich natürlich auch unglaublich bereichert in all dem, was dann digital geworden ist.
Es war eine bewusste Entscheidung zu sagen: Bis hierher viele Neuerungen, viele Aufgaben, die es 1993 überhaupt noch nicht gab. Der Bereich der Öffentlichkeitsarbeit – Kirche transparent zu machen – war aufzubauen. Wir haben noch nicht über Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz gesprochen. Datenschutz war damals noch kein großes Thema. Wir reden jetzt auf einmal über Umsatzsteuer in den Gemeinden. Es kam immer wieder etwas obendrauf, wo ich sagte, jetzt reicht die Spannkraft noch. Aber ich merkte, dass es eine frische Kraft brauchte, die sagt „Okay, ich stelle mich den Aufgaben, die da kommen.“ Das ist alles händelbar, aber für mich war es dann gut zu sagen, ich möchte fröhlich aus dieser Arbeit gehen – und das bin ich dann am Ende auch. Wir sind Doppelverdiener: Meine Frau arbeitet weiter aus Leidenschaft als Ärztin und ich habe dann gesagt, dann nehme ich diese Möglichkeit mit 63 zu gehen gerne in Anspruch. Das ist natürlich ein Privileg, dass wir uns das leisten können.
LuKi: Du hast die Öffentlichkeitsarbeit angesprochen. Darin hast du ja unsere Kirche sehr stark gemacht. Ob Internetseite, selk_news… Und es stand nicht nur in deiner Festschrift etwas über deine unglaubliche Geschwindigkeit im Beantworten von E-Mails – in Verbindung mit Qualität und Kompetenz. Meinem Eindruck nach hast du das auch gerne gemacht.
Michael Schätzel: Ich hielt es für notwendig. Das ist auch immer noch so, weil ich glaube, dass wir da die Gunst der Stunde wirklich auch genutzt haben. Die Transparenz, das war 1993 noch wirklich ein Thema, dass die Leute gesagt haben: „Nichts erfährt man.“
LuKi: Das ist heute immer noch so, oder?
Michael Schätzel: Bei mir ist das tatsächlich anders gewesen. Die Leute haben gesagt: „Du, Michael, ganz ehrlich, ich kann es bestimmt wissen, aber ich finde es gerade nicht. Kannst du mir die Info nochmal geben?“ Also es hat sich schon etwas getan. Generell gebe ich dir aber recht. Generell sind Themen immer Dauerbrenner, das ist in der Politik nicht anders. Aber man kann immerhin so viel tun, dass man sagen kann: „Wieso? Da ist es doch. Was wollt ihr denn noch mehr?“ Und das hat irgendwo Akzeptanz gefunden. Es geht mir dabei nicht nur um Transparenz, es geht mir auch darum, dass wir einander Anteil geben, Anteil an kirchlichem Leben in der Fläche, gerade auch in Kleinstgemeinden der Diaspora, Anteil an Freud und Leid, Anteil an Gelungenem, Anteil an Nachahmenswertem. Und das mit dem schnellen Antworten hatte wirklich zwei Gründe: Ich glaube einmal, dass wenn bei mir jemand aus dem Kern der ehren- und hauptamtlichen Mitarbeiter was wissen will, dann schreibt der mir nicht noch um 18:30 Uhr und um 19:00 Uhr eine Mail, weil er mich ärgern will, sondern weil er die Information braucht. Und ich bin nicht der, der den pädagogisch erziehen muss. Abgesehen davon, dass die Fülle sich nicht anders bewältigen ließ.
Wir haben immer gesagt, das Kirchenbüro solle der Servicebetrieb der Pastoren und der Gemeinden sein, also der Haupt- und Ehrenamtlichen; Da kann nichts zu blöd oder zu gering sein, als dass man uns nicht fragt. Und warum soll jetzt ein Kollege und Ehrenamtlicher, wenn es um Versicherungs- oder Steuerfragen geht, stundenlang wühlen, wenn er per Anruf in aller Regel sehr schnell Antwort kriegt?
LuKi: Weil du das meiste präsenter hast, da du mehr damit zu tun hattest als jemand in seiner Ortsgemeinde.
Michael Schätzel: Na klar: Da kommt es einmal vor und bei mir kam es eben immer wieder mal vor. Das Wichtigste ist nicht, was du kannst oder ich kann, sondern was das Netzwerk kann, also Leute zu kennen, die unterstützen. Und dabei auch keine Bedenken zu haben, auch in der Ökumene rumzufragen – ohne das EKD-Kirchenamt in Herrenhausen zum Beispiel hätte ich in vielen Sachen gar nichts machen können – oder es hätte Wochen oder gar Monate länger gedauert. Das kann man auch nicht mit Ökumene verwechseln, das ist ja reine Verwaltungsarbeit. Die haben uns, wenn ich jetzt an Urheberrechte oder Abdruckrechte für unsere Gottesdienstzettel denke, haben sie uns immer mit in die Verträge genommen, weil wir allein gar keinen Rahmenvertrag hinbekommen hätten. Wir kennen uns und wir helfen einander. Auch bei Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz mit der Evangelischen Fachstelle für Arbeits- und Gesundheitsschutz (EFAS), weil wir einfach gar nicht diesen ganzen Apparat selbst vorhalten können. Und auch wir müssen uns in der Ökumene nicht verstecken, wir haben unsere eigenen Schwerpunkte, davon können wir auch nicht lassen und die können wir auch mutig vertreten.
LuKi: Du hast jetzt schon einiges erzählt aus deiner aus deiner Zeit als Geschäftsführender Kirchenrat und deine Krankheit angesprochen, die im Jahr 2022 diagnostiziert wurde. 2022 war aber ja auch das Jubiläumsjahr „50 Jahre SELK“. Die SELK wird älter. Was würdest du mit Blick auf die Geschichte unserer Kirche im Rückblick sagen?
Michael Schätzel: Wenn ich auf die letzte Zeit zurückblicke, denke ich oft, das ist ja eigentlich eine irre Geschichte: 1972 ist die Kirche so zusammengekommen, 1993 bin ich eingestiegen und war 31 Jahre da – in der Zeit ist unheimlich viel passiert. Wir haben gelernt, welche Formate für uns passen – so, dass wir uns nicht überheben, aber auch nicht irgendwie verstecken. Grundsätzlich ist das für mich ein wichtiges kirchlich-theologisches Thema: Wie gehen wir mit unserem Erbe um, das uns anvertraut ist. Und da erlebe ich, dass je länger das Zusammenringen der Kirchen stattgefunden hat, je weiter das also weg ist, desto fahrlässiger geht die Kirche damit um. Leider.
LuKi: Wenn wir jetzt auf das Älterwerden unserer Kirche blicken, sowohl innerlich-personell als auch als Institution mit mehr als 50 Jahren und den Vorgängerkirchen zuvor: Wie blickst du auf die Zukunft, wenn du jetzt sagst: „Wir gehen immer fahrlässiger mit dem Erbe um.“?
Michael Schätzel: Ich begrüße ökumenische Kontakte als bereichernd ausdrücklich und weiß sehr gut, dass es auch in anderen Kirchen theologische Positionen und kirchliches Leben gibt, in denen wir uns wiederfinden und wo wir Nähe und Verbundenheit wahrnehmen. Und doch: Aufs Ganze gesehen gibt es für mich – trotz allem, wo auch ich an der Kirche leide – keine Alternative zu unserer Kirche. Ich meine, dass das, was wir im Kern haben – unsere klare Christusverkündigung und den Umgang mit den Sakramenten, zu denen ich auch den Segen zähle, also Taufe, Beichte, Abendmahl und Segen – das gibt es so sonst nirgends mehr in dieser Einigkeit und Eindeutigkeit. Und deshalb glaube ich, dass das Thema des Allgemeinen Pfarrkonventes (APK) „Was uns eint“ viel wichtiger ist, als dies oft eingeschätzt wird.
Unaufgebbar wichtig sind mir eine ebenso solide wie gegenwartsbezogene lutherische, also christuszentrierte Bibelauslegung und dass die Beichte oft gefeiert wird, dass ich am Abendmahl teilnehmen kann, ohne immer gucken zu müssen, ob das wirklich das lutherische ist. Für mich ist der Segen elementar wichtig – wegen des Zuspruchs und wegen der begleitenden Geste der Handauflegung, die ja eigentlich auf die Köpfe gehört und nicht in die Luft. Das sind Essentials, bei denen ich sage, daraus lebe ich und am Ende geht es ums Heil. Und darüber müssen wir sprechen.
LuKi: Und was dann daraus wird, ist seine Sache. Aber wir arbeiten in dem, was wir wissen.
Michael Schätzel: Ja genau. Und ich finde, das nivelliert nichts, nimmt aber diese Spitze weg, wo Leute sagen, sie möchten nicht in einer Kirche sein, in der davon ausgegangen wird, dass Leute in die Hölle kommen und so. Es ist deutlich gesagt, wie das mit der Gnade und mit dem Himmel ist und wir können uns an nichts anderes halten. Aber der klassische Fall ist ja immer, wenn ungetaufte Kinder sterben und die Leute sagen, das kann ja nicht sein, dass die nicht gerettet werden. Da bin ich sehr stark darin, zu sagen, Gottes Gnade ist uns immer über. Und dann kann man immer noch überlegen, wie der Pastor handelt – an einem verstorbenen Kind natürlich nicht taufen, aber mit Kreuzeszeichen, mit Gebet, da gibt es so viele Möglichkeiten. Und dann wirklich auch dem Schöpfer sein Kind wieder anbefehlen. Also wenn wir von der Aussage klar bleiben, aber seelsorglich damit umgehen, ohne zu nivellieren, – Und ich glaube, das geht; ich habe es oft erlebt – dann sind wir echt unverzichtbar.
LuKi: Es ist schön, deine Liebe zur Kirche und dem Kern der Botschaft zu spüren. Du hast Kirche und Weitertragen der Botschaft erlebt und bist immer noch aktiv. Inzwischen mehr hier in Hannover vor Ort und im Umkreis, aber auch weiterhin gesamtkirchlich, etwa für die LuKi. In der Februarausgabe war zu lesen, deine Zuarbeit und Begleitung bleiben der LuKi erhalten.
Michael Schätzel: Ich habe damals zu Andrea (Chefredakteurin Andrea Grünhagen; Anm. d. Red.) gesagt: „Wie ist denn das mit den Andachten und mit der Serie „Ein Bibelspruch, der mich begleitet“? Das kann ich dir abnehmen. Ich kenne die Leute und ich finde das beides so wichtig, dass ich dir, Andrea, da gerne den Rücken freihalte. Und so haben wir das dann auch gemacht.
LuKi: Die Redaktion, das kann ich vielleicht jetzt an dieser Stelle sagen, ist dir auch sehr dankbar dafür und freut sich immer sehr, wenn es heißt: „Das macht Michael“ und wir wissen, es kommt; wir wissen, es wird gut. Vielen Dank!
Michael Schätzel: Das freut mich natürlich.
LuKi: Auf die Gefahr hin, dass meine nächste Frage und die Antwort dazu aus Platzgründen nicht mehr in die LuKi kommen, aber ein Gespräch und ein Interview mit dir ohne Fußballbezug geht ja schlecht. Jetzt bin ich nicht der große Fußballkenner, aber wir sprachen über deine Festschrift und selbst da taucht vorne auf dem Cover die 96 auf, ich halte das für keinen Zufall. Jetzt bin ich nächsten Dienstag das erste Mal in meinem Leben in Hannover im Fußballstadion. Hast du da eine Empfehlung für mich? Irgendetwas, was ich berücksichtigen sollte?
Michael Schätzel: Erstmal herzlichen Glückwunsch, dass du in unsere Arena gehst. Das wird dir wunderbar gefallen. Wo hast du deinen Platz?
LuKi: Ja, im Block N1. Ich habe gelesen, das ist sonst die Heimat der echten Hannoverfans, auch der Ultras.
Michael Schätzel: Ja, das ist wunderbar. N1 ist wunderbar, das ist sehr gut ausgesucht. Das ist normalerweise die Stehkurve, wo die Hannoverfans stehen und die Stimmung ist, aber bei Länderspielen müssen alles Sitzplätze sein. Aber wir haben ein wunderschönes Stadion, das ist ja direkt am Maschsee.
LuKi: Ich freue mich darauf! Gibt es denn Dinge, die du der ausgewählten Leserschaft deines Lieblingsblattes noch sagen möchtest?
Michael Schätzel: Es ist auf jeden Fall mein Lieblingsblatt, es kommt gleich nach dem Kicker. Aber nein, es ist unverzichtbar für das Leben in dieser Kirche und immer lesenswert.
LuKi: Herzlichen Dank für das Interview und all dein Tun in und für unsere Kirche sowie das Weitertragen der Botschaft und alles Gute und Gottes Segen weiterhin.
Michael Schätzel: Vielen Dank für dein Kommen.
(Die Fragen stellte Bernhard Daniel Schütze)