Die infantile Gesellschaft

Die infantile Gesellschaft 300pxWir sind das Party-Volk“ stand auf einem Plakat, das eine junge Frau jüngst an einer Demo gegen die Corona-Maßnahmen hochhielt. Spaß haben, sich gut fühlen, das ist offensichtlich oberste Maxime, das Leben ein einziges Spielfeld, das man sich nicht verderben lassen will. Eine kindische Gesellschaft sind wir geworden, konstatiert Alexander Kissler. Kindisch, nicht kindlich. „Das Kindische ist Nicht-Kindern vorbehalten“, schreibt der Autor, „kindisch ist es, so zu tun, als wäre man, was man nicht mehr ist: Kind.“ Dass das nicht einfach nur ein wenig lächerlich wirkt, sondern bitterernste Folgen haben kann, macht er anhand vieler Beispiele aus Politik, Kultur, Wirtschaft und, ja, auch Kirchen, deutlich. E-Scooter, Emojis, leichte Sprache, „Kletterkirchen“ nimmt er lustvoll aufs Korn. Ein Kapitel widmet Kissler der Klima-Aktivistin Greta Thunberg, und er rückt dabei so manches verkehrte Bild gerade. Zum Beispiel das der schwärmerischen, ja geradezu religiösen Überhöhung des „kleinen Mädchens“, bei dem sogar Bischöfe sich zu biblischen Vergleichen verstiegen – wenn sie Greta an David erinnerte und die Freitagsdemos an den Einzug Jesu in Jerusalem.

„Es sind Erwachsene, die ihre Erlösungssehnsüchte auf die Schwedin projizieren“, schreibt Kissler. Nicht nur, dass diese damit heillos überfordert ist, die Erwachsenen werden ihrer Verantwortung damit eben gerade nicht gerecht. So zu tun, als ob die Gebote der zornigen Greta unsere Welt retten könnten, ist kindisch. Sie lassen sich jedenfalls nicht in demokratische Politik übersetzen, so der Autor. Wer auf Gretas Reden ergriffen reagiert, aber nicht nachfragt, nicht hinhört, was sie wirklich sagt und fordert (nämlich den sofortigen Totalumbau aller Gesellschaften), der verhindert jede Debatte. Und genau das ist das Problem der infantilen Gesellschaft, so Kissler. Der Ausweg? Erwachsen werden. Das letzte Kapitel trägt denn auch den Untertitel: Vom Glück der Souveränität.

Rezension von Doris Michel-Schmidt

Alexander Kissler:
Die infantile Gesellschaft - Wege aus der selbstverschuldeten Unreife
HarperCollins 2020, 255 Seiten, 20,– Euro

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