Im Weltabenteuer Gottes leben

Cover ThomasMitgliederschwund, Bedeutungsverlust, Erschöpfung – man könnte glauben, die Kirche habe angesichts der eigenen Nöte selbst die Hoffnung und den Trost verloren. Günter Thomas, Professor für Systematische Theologie an der Ruhr-Universität Bochum, lenkt in seinem Buch den Blick auf die „theologische Fehlersuche“ und legt die tieferliegenden Gründe der Kirchenkrise frei. Das provoziert (manche), könnte aber die Verantwortlichen auch entlasten, die sich im Strudel der Struktur- und Organisationsdebatten erschöpft haben.

Was die Thesen von Günter Thomas grundiert, ist die Überzeugung, dass „nicht nur der akademischen Theologie, sondern auch der Kirche (…) die Vorstellung von Gottes Lebendigkeit abhandengekommen“ sei. Wie ein „unterirdischer Schwelbrand“ habe sich die Überzeugung verbreitet: „Was auch immer Gott ist, er ist kein lebendiger Akteur“. In der Konsequenz wird die Theologie allein auf eine ethisch-politische Weltverantwortung umgestellt – und die Kirche damit hoffnungslos überfordert. Die Anforderungen werden grenzenlos, die To-do-Listen unendlich. „Jede Reform erzeugt neue Aufgabenfelder“, so Thomas, „jede Suche nach Relevanz schafft einen neuen Job.“ Häresien (Irrlehren) gibt es noch, aber nur auf moralischem Feld. Die aber zerreißen Gemeinden, belasten Synoden, spalten Familien und entfachen im Internet wahre Glaubenskriege.

Freude kommt dabei sicherlich keine auf. Und die Botschaft der Kirche kommt bei vielen so an: „Achtung der Menschenrechte und der Goldenen Regel, das reicht“. Dem entspreche ein „Entrümpeln“ der Theologie, sagt Thomas und nennt diese Strategie „spirituelles Feng Shui“: „Befreien wir uns von altem religiösen Gerümpel, so werden wir besser verstanden! Himmelfahrt Christi? Versteht keiner, raus! Rede von Sünde? Hat nur Schlimmes angerichtet, weg damit! Offenbarung Gottes in Christus? Stiftet nur Streit, stört das harmonische multireligiöse Miteinander! Ein zorniger Gott? Toxisch für Liebe und Humanität! Ein jüngstes Gericht? Mein Gott, wie altmodisch! Vater unser? Eine Unheilsgeschichte beenden! Gemeinden? Muffig, kümmerlich!“ Am Ende stünde in dem leeren Haus der Theologie noch die kleine Truhe der Theologie der Krabbelgottesdienste: „Gott liebt dich und begleitet dich!“ Thomas scharfe Kritik: „Wer die Schwere, Dichte und Sperrigkeit der Erzählungen von Gottes Weltabenteuer unter das Niveau des gesunden Menschenverstandes drückt, sollte sich über Austritte nicht wundern. Wer will in so kahlen Gemäuern wohnen?“

Der „theologischen Fehlersuche“ des Autors folgt man fasziniert, zustimmend, manchmal irritiert und zum Widerspruch genötigt, aber immer hineingezogen in ein produktives Nachdenken über die Zukunft der Kirche. Seine Lösungsvorschläge überzeugen in mancher Hinsicht nicht. Und das Durchdeklinieren der Paulinischen Trias von Glaube, Liebe und Hoffnung mittels der Schablone des „Weltabenteuers Gottes“ wirkt zuweilen redundant und philosophisch-wolkig. Trotzdem: sehr lesenswert!

Rezension von Doris Michel-Schmidt

Günter Thomas
Im Weltabenteuer Gottes leben, Impulse zur Verantwortung für die Kirche
Evangelische Verlagsanstalt 2020, 363 Seiten, 16,00 Euro

Wir benutzen Cookies

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.