Die Leipziger Mission und die Dalit-Christen in Pandur, Tamil Nadu

Cover MurthyZwei in der Missionswissenschaft diskutierte Fragen bearbeitet Pfr. Jayabalan Murthy von der Tamil Evangelical Lutheran Church, Indien, in seiner Magisterarbeit an der Georg August Universität Göttingen: einmal die in der öffentlichen Wahrnehmung immer wieder geäußerte Frage, inwieweit christlichen Missionsgesellschaften, in diesem Fall die Leipziger Mission, auch kolonialistische Motive bewegten, und zweitens die erst in neuerer Zeit gestellte Frage, wie diejenigen, die durch die Missionsbemühungen Christen geworden sind, die Geschichte beurteilen.

Es ist recht ungewöhnlich, dass eine Masterarbeit veröffentlicht wird, in diesem Fall bieten aber gerade der notwendigerweise begrenzte Umfang und die fokussierten Fragestellungen den „Blick durchs Schlüsselloch“. Wie unter einem Brennglas wird das, was die Kirchengeschichte als „Kastenstreit“ bezeichnet, konkret an einer Gemeinde in einer überschaubaren Region dargestellt. Auch die Zahl der Protagonisten ist klein, sodass es gelingt, einen etwas tiefergehenden Eindruck zu vermitteln. Erfreulich ist es, dass es dem Verfasser gelingt, sich von den Quellen aus dem 19. Jahrhundert in der Darstellung zu lösen, wiewohl er sie erkennbar gelesen hat. Auch zum Hintergrund und der religiösen Verflechtung des Kastenwesens in Indien, sowie der heutigen Situation, kann man Interessantes erfahren, ein wenig Hintergrundwissen ist allerdings Voraussetzung.

Es ist wissenschaftlich gesehen immer spannend, wenn lange geglaubte und gelehrte Thesen infrage gestellt werden. In diesem Fall ist es die Annahme, dass die Leipziger Mission im Gegensatz zur Hermannsburger Mission (und anderen) im 19. Jahrhundert in der Frage des Kastenwesens kompromissbereiter gewesen sei und dass sie damit in gewisser Weise „auf der falschen Seite stand“. Die gegenseitigen Verwerfungen ließen damals auch nichts an Deutlichkeit zu wünschen übrig. Das hatte damit zu tun, dass in der Hermannsburger Mission der Grundsatz galt – so hat Louis Harms es immer wieder eingeschärft –, dass sich die Verhältnisse nach dem Wort Gottes zu richten hätten und nicht umgekehrt. Darum ging es im „Kastenstreit“ – ein durchaus relevantes Thema im 19. Jahrhundert. Es gelingt nun Jayabalan Murthy zu zeigen, dass es so eindeutig eben nicht war, sondern er kann am Beispiel eines Missionars, Johannes Kabis, aufzeigen, wie das missionarische, diakonische und gesellschaftliche Wirken in diesem Fall zur Überwindung von Kastenschranken beitrug, und zwar, indem es die zu Christen gewordenen „Dalits“, die Unberührbaren, mit Selbstvertrauen und Würde beschenkte, die Kraft zur Veränderung gab. Auch die Rolle der von Missionaren gegründeten Schulen spielt hier eine wichtige Rolle.

Was diese Masterarbeit leider nicht leistet, ist eine vertiefte Einordnung in den kirchengeschichtlichen und konfessionellen Kontext der Leipziger Mission und den Gegensatz zur Hermannsburger Mission, zumal der Verfasser diese Kontexte kennt. Das würden sich Leser aus den Reihen unserer Kirche sicherlich wünschen.

Es ist aber zu hoffen, dass eine in einer Dissertation geleistete Weiterarbeit hier mehr Bezüge bietet. Auf jeden Fall darf man auf eine solche Dissertation gespannt sein.

Rezension von Andrea Grünhagen

Jayabalan Murthy
Die Leipziger Mission und die Dalit-Christen in Pandur, Tamil Nadu
In: Theologie, Band 121, Berlin 2022, ISBN: 978-3-643-91294-7, Broschüre, 92 Seiten, 29,90 Euro

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