Unter Heiden

Cover HaberlDas hatte Tobias Haberl nicht erwartet: Als der Journalist kurz vor Ostern 2023 im Magazin der Süddeutschen Zeitung einen Text mit dem Titel „Unter Heiden“ veröffentlichte, bekam er in den Tagen danach Hunderte von Mails. Haberl hatte davon geschrieben, wie er sich als gläubiger Christ zunehmend unverstanden fühlt, „wie eine seltene Affenart, die man lieber von der anderen Seite eines Gitters aus bestaunt“. Er hatte es gewagt, sich als gläubiger Katholik zu outen. Und das in einer Zeitung, die traditionell kirchenkritisch eingestellt ist. Umso erstaunter war er, dass die allermeisten Reaktionen positiv, ja dankbar waren. Diese Resonanz hat den bayerischen Journalisten ermutigt, ein Buch zu schreiben. Ein Glaubensbekenntnis, das im ersten Teil das Lebensgefühl beschreibt, sich als Christ zunehmend rechtfertigen zu müssen, „als hätte ich den Sprung in die Gegenwart verpasst oder irgendetwas nicht ganz verstanden. Das Gefühl von einer Mehrheit zur Minderheit, vom Mainstream zur Randgruppe zu werden …“ .

In seinem Umfeld lehnen die meisten den Glauben ab, Kirche sowieso. Was Haberl daran besonders stört, ist, dass sie in der Regel wenig Ahnung davon haben, was sie da eigentlich ablehnen, und dass sie ihn ohne große Kenntnisse oder Erfahrungen kritisieren dafür, dass er noch in der Kirche ist, regelmäßig in die Messe geht und zu Gott betet.

Tobias Haberl ist im Bayerischen Wald aufgewachsen, er wurde katholisch erzogen. Dass das Christentum eine gewaltige Provokation der herrschenden Verhältnisse ist, habe er erst viele Jahre später begriffen, schreibt er.

Wie Haberl die zunehmende Marginalisierung der Christen in diesem Land analysiert, ist erhellend und trifft offensichtlich einen Nerv – nicht nur bei Gläubigen. Seinem persönlichen Glaubensweg kann man gut folgen, wenn auch manche Passagen, in denen er zum Beispiel einen Aufenthalt in einem Kloster beschreibt, etwas langatmig wirken. Und wenn es theologisch wird, dann nicht nur gut katholisch – klar –, sondern zuweilen auch ziemlich geschwafelig.

Trotzdem: Die Verteidigung von Kirche und Glaube ist ermutigend zu lesen; ja, man ist dankbar, dass einer mal nicht ins große Horn der Kirchenkritik stößt, sondern von der Schönheit und von der Wahrheit des Glaubens schreibt.

Rezension von Doris Michel-Schmidt

Tobias Haberl
Unter Heiden. Warum ich trotzdem Christ bleibe
btb Verlag 2024
288 Seiten, 22,00 Euro